Die Delegierten der SPD wählen Marvin Kliem zu ihrem Direktkandidaten für die Landtagswahl 2023. Die Partei gibt sich kämpferisch und teilt gegen Söder und Co aus
Der Ort für die Veranstaltung am Freitagabend war bewusst gewählt: die Kraftzentrale, das Industriedenkmal an der Mahkornstraße. Kraft, die Kandidaten und Partei in den kommenden Monaten brauchen werden, solle von hier ausgehen, sagte Peter Stranninger, Stadtrat und SPD-Unterbezirksvorsitzender. Straubing war der niederbayerische Auftakt der SPD in die Wahl im Herbst 2023.
„Du bist sehr jung, hast aber schon viele Stationen hinter dir. Die typische Ochsentour hast du bereits gemacht“, sagte MdL Arif Tasdelen, Generalsekretär der Bayern-SPD, zum 25-jährigen Marvin Kliem. Tasdelen selbst ist mit 48 Jahren jugendpolitischer Sprecher und hofft mit Kandidaten wie Kliem auf eine Verjüngung der Partei. Tasdelen wirft Ministerpräsident Markus Söder Arbeitsverweigerung vor. Von 21 Plenarsitzungen, sagt Tasdelen, habe Söder „nur teilweise an drei teilgenommen“. Dabei sei doch offensichtlich: „Aus dieser Krise kommen wir nur gemeinsam raus.“ Söder leiste vor Ort nichts, zeige vielmehr mit dem Finger nach Berlin, sagte Tasdelen.
Ruth Müller kritisiert Aiwanger für Aussage MdL Ruth Müller, stellvertretende Vorsitzende der Bayern-SPD Landtagsfraktion, erzählte, dass der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger bei der Volksfesteröffnung in Rottenburg gesagt habe: Endlich sei die Welt wieder in Ordnung, endlich könne man wieder Volksfeste feiern. Sie selbst habe daraufhin erst einmal auf ihr Smartphone gesehen, um sicherzugehen, nichts verpasst zu haben. „Solche Aussagen sind verantwortungslos“, sagte sie. Aiwanger sei als Wirtschaftsminister für die Energie zuständig – das drängendste Thema derzeit. Tasdelen und Ruth Müller betonten, dass die SPD ihr Wahlprogramm nicht im Hinterzimmer schreibe, sondern sich mit Vereinen und Verbänden unterhält. „Es wird die Handschrift der Bevölkerung tragen“, so Tasdelen. Das Tagungspräsidium bildeten Ruth Müller, Dr. Olaf Sommerfeld und Martin Panten. Von den 24 Delegierten der Ortsverbände waren 22 anwesend. Mit einer langen Rede stellte sich Marvin Kliem den Delegierten vor – dafür bekam er danach den Hinweis, dass er sich im Landtag schon an die vorgegebene Redezeit halten müsse. „Mia san de bayerischen Sozis in Straubing und da san mia dahoam“, legte er los. Kliem blickte auf die Geschichte der SPD zurück: Seit 160 Jahren präge man „ohne einen einzigen Sündenfall“ die Demokratie im Bund, in Bayern seit 130 Jahren. „Das lassen wir uns nicht absprechen. Erst recht nicht von den Söders, Aiwangers und den dahergelaufenen Nazis im blauen Gewand" Kliem kritisierte, dass CSU und Freie Wähler im Koalitionsvertrag das Ziel formuliert haben, bis 2025 in Bayern 500000 Wohnungen zu errichten. Nur ein Bruchteil sei aktuell im Bestand. „Das können wir tausendmal besser.“ Straubing verzeichne sogar die „krassesten Mietsteigerungen bundesweit“ – hier müsse man ansetzen.
„Weg von russischer, fossiler und nuklearer Energie“ Die SPD starte vorbereitet in den Winter. „Die Gasspeicher werden gefüllt, wir verteilen Bezugsquellen und schöpfen Zufallsgewinne von genau den Unternehmen ab, die meinen, besonders von den hohen Energiepreisen profitieren zu können.“ Man müsse weg von russischer, fossiler und nuklearer Energie – hin zu erneuerbaren Energien. Die Forderungen nach einer verlängerten Atomkraftlaufzeit nannte er populistisch. Kliems Ziel ist eine solidarische Politik, sein Herzensanliegen dabei ist, Ehrenamtliche zu unterstützen. Das begründet sich aus seiner Biografie: Kliem ist hauptberuflich Pressesprecher und wissenschaftlicher Referent, ehrenamtlich ist er Leiter der Jugendarbeit und Rettungssanitäter beim BRK. Er ist seit zehn Jahren SPD-Mitglied, stellvertretender Vorsitzender im Unterbezirk Straubing und stellvertretender Bezirksvorsitzender der niederbayerischen SPD. 18 der Delegierten stimmten für ihn als Landtagsdirektkandidaten, es gab zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Einstimmig wurde Nicola Nagels aus Konzell zur Listenkandidatin für den Landtag gewählt. Sie betreibt eine Käserei und bekommt durch ihre Arbeit auf Märkten Einblick, was die Menschen bewegt. Das Leben der Familien im ländlichen Raum, Landwirtschaft und Direktvermarktung sind die Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit.
Kandidaten für Bezirkstag Michael Meisters Schwerpunkt ist das Gesundheitswesen. Der Geiselhöringer hat verschiedene Pflegebereiche als Leitungskraft kennengelernt. Der Bezirk als Träger von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen könne mit Personalentwicklung den Beruf der Pflege attraktiver machen. Beim Gehalt habe sich in den vergangenen Jahren in der Pflege einiges ge tan, problematisch sei immer noch der knapp bemessene Personalschlüssel. Hier möchte er ansetzen. Mit einer Gegenstimme wählten ihn die Delegierten zum Stimmkreiskandidaten für den Bezirk. Die Straubinger Stadträtin Gertrud Gruber war von Beruf Krankenschwester am Klinikum St. Elisabeth und im Bezirksklinikum in Lerchenhaid. Ihr Fokus liegt auf den Bereichen Kultur, Kunst und Theater. Mangelnde Zuschüsse dürften nicht der Grund sein, dass Spielorte geschlossen werden. Außerdem möchte sie für eine Pädiatrie in Straubing kämpfen. „Bisher ist es nur bei Vertröstungen und Ablehnungen geblieben. Für mich bleibt es ein wichtiges Ziel.“ Ihre Wahl fiel einstimmig aus.
Mit Erlaubnis des Straubinger Tagblatts | Straubinger Rundschau | 12.9.2022 | -Sophie Schattenkirchner -