"Runder Tisch Pflege" im Landkreis Straubing-Bogen

01. August 2024

Straubinger Tagblatt:

Beim "Runden Tisch Pflege" trafen Beschäftigte sowie Experten und Politiker aufeinander, um Themen rund um die Pflege zu diskutieren. Die Meinungen gingen dabei auseinander. Mit dabei war auch eine Staatssekretärin.

Wir wollen ein offenes Ohr haben für bessere pflegerische Versorgung", sagt Marvin Kliem, stellvertretender Vorsitzender der Niederbayern SPD. Deswegen organisierten er und seine Partei den "Runden Tisch Pflege" am Dienstag im Sitzungssaal des Landratsamts. Anwesend war auch die parlamentarische Staatssekretärin vom Bundesministerium für Gesundheit, Sabine Dittmar. Sie hat lange selbst als Hausärztin gearbeitet. Ihre parlamentarische Erfahrung habe gezeigt, dass viele Themen "vor Ort anders ticken", als in Berlin kommuniziert. Sie stand den anwesenden Experten, die in der Pflege arbeiten, Rede und Antwort. Hier die wichtigsten Fragen:

Was macht den Pflegeberuf unattraktiv? Unberechenbare Dienstpläne, Einspringen, obwohl man frei hat, der ständige Zeitdruck, der dazu führt, dass man nicht mehr die Hand des Patienten halten kann und die Dokumentationsarbeit sind alles Beispiele, die den Pflegeberuf unschön machen, erklärt Staatssekretärin Dittmar. Es sei meist keine Frage des Geldes, warum Fachkräfte ihren Beruf aufgeben. Ein Schritt, den Job attraktiver zu machen, soll das kommende Pflegekompetenzgesetz bringen, erklärt sie. "Wir müssen Pflegefachkräften zustehen, dass sie das machen dürfen, was sie können." Zum Beispiel sollen diese befugt sein, zu verordnen und bei Patienten den Pflegegrad zu bestimmen.

Welche Probleme gibt es beispielsweise innerhalb der Ausbildung zur Pflegefachkraft? Die Leiterin der Berufsfachschule für Pflege am Klinikum Straubing, Carina Schütz, machte aufmerksam auf strukturelle Probleme innerhalb der Ausbildung. So müssen die Schüler 400 Stunden bei einem ambulanten Pflegedienst ableisten, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Das sei aber schwierig, wenn diese teilweise nur ein bis zwei Auszubildende betreuen können oder sogar pausieren müssen, weil sie keine Anleiter mehr haben. Alternative Vorschläge, die Stunden beispielsweise in einer Hausarztpraxis zu leisten, wurden "abgeschmettert". Ein zweiter großer Punkt sei auch das Fahrproblem der minderjährigen Auszubildenden zu den ambulanten Pflegediensten. Busse können die Schüler teilweise nicht alle pünktlich zu Schichtbeginn um sechs Uhr bringen. Das alles würde zu der aktuellen Abbruchquote von 25 bis 30 Prozent beitragen. Staatssekretärin Dittmar merkt an, dass sie die Probleme innerhalb der ambulanten Ausbildung und die Höhe der Abbruchquote neu für sie seien. Betont aber, dass sie gerne genauere Informationen von Schütz dazu bekommen möchte. Durch den "Azubibus" und andere stündlich fahrenden Buslinien sollte es laut ihr und auch Landrat Laumer keine Probleme geben. Genaueres sollte im Nachhinein geklärt werden.

Ist das Personal in der Pflege zu sehr mit Bürokratie beschäftigt? Einigkeit herrschte bei allen Anwesenden, dass die Papier- beziehungsweise Computerarbeit immer mehr Zeit in Anspruch nimmt. "Es braucht weniger Bürokratismus, damit Mitarbeiter mehr am Menschen arbeiten können", sagt Schwarzfischer-Engel. Staatssekretärin Dittmar weist auf das eingeführte Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation hin. Dieses sollte den Aufwand verringern. "Eigentlich sollte nur das dokumentiert werden, was abweichend ist." Fügt aber gleichzeitig an, dass aufgrund der Rechtsaufsicht die Realität anders aussehe. Teilweise seien aber auch die neuen Systeme noch nicht auf die Pflegekräfte abgestimmt, fügt Hubert Langmantel, Pflegedirektor vom Klinikum Straubing, an.

Wie wichtig sind ausländische Fachkräfte in der Pflege? "Ohne Menschen mit Migrationshintergrund können wir den Betrieb nicht mehr aufrechterhalten", sagt ÖDP-Stadtrat Karl Dengler. Deswegen sei es wichtig, als Land wieder attraktiver für diese zu werden und auch den Anerkennungsprozess zu vereinfachen. Staatssekretärin Dittmar stimmt dem zu und antwortet darauf, dass bereits ein "gutes Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht worden ist. Fakt ist aber auch, dass wir als Einwanderungsland nicht mehr attraktiv sind." Gleichzeitig würden vor Ort, beispielsweise in Mexiko und auf den Philippinen, Fachkräfte ausgebildet. Somit wäre auch das Thema der Gleichwertigkeit gelöst und das Anerkennungsverfahren erleichtert. Hubert Langmantel, Pflegedirektor des Klinikums Straubing, schildert die aktuelle Realität in seinem Haus so: "Ohne ausländische Kräfte müssten wir zwei bis drei Stationen schließen. Bei uns werden 100 verschiedene Sprachen gesprochen." Das Krankenhaus würde das aber auch fördern, indem sie Wohnraum für die Fachkräfte anmieten.

Sollten ausländische Fachkräfte Steuerermäßigungen bekommen? Geht es nach Robert Pfannenstiel, dann nein. Er ist Mitglied bei Verdi und der SPD Niederbayern sowie Finanzbeamter. Für ihn brechen Steuerermäßigungen für eine bestimmte Personengruppe mit dem Grundsatz: "Alle Menschen sind gleich." Und auch Steuerfreiheit bei Überstunden sieht er bedenklich. Auch Staatssekretärin Dittmar fügt an, dass man sich mit dem Thema kritisch auseinandersetzen muss. "Steuererleichterung für ausländische Arbeitskräfte sendet ein falsches Signal", fügt Pflegedirektor Langmantel vom Klinikum Straubing an. Bei Überstunden komme es auf die Ausgestaltung an, erklärt Dittmar. Es dürfe nicht sein, dass es dann dazu kommt, dass sich eine Vollzeitkraft entscheidet, Teilzeit zu arbeiten und Überstunden aufbaut. Für Langmantel wären Steuererleichterungen aber bei Nacht- und Wochenendarbeit, die eher unbeliebt sind, das "richtige Signal".

Warum gibt es die Altersteilzeitregelung für Pflegefachkräfte nicht mehr? "Pflege ist anstrengend", betont Karl Dengler, ÖDP-Stadtrat und Altenpfleger. Er selbst konnte noch von dem Instrument Altersteilzeitregelung Gebrauch machen, andere hätten aber nicht mehr das Privileg. "Die Kollegen sagen, ich halte das bis 65 Jahre nicht durch." Für Dittmar sei das eine Angelegenheit der Gewerkschaft, die nicht verhandelt haben. Auch die Mitgliederzahl der Personen mit Pflegeberufen in Gewerkschaften sei gering, betont sie.

Werden Berufe in der Pflege in den Medien zu häufig nur negativ dargestellt ? Georg Schwarzfischer-Engel, Kreisvorsitzender des CSA-Kreisverbandes Straubing-Bogen, findet, dass die Medien nicht immer ein negatives, sondern auch mal ein positives Bild des Pflegeberufs zeigen sollten. Auch Landrat Josef Laumer vermerkt: "Ich weiß nicht, ob immer auf die Missstände hinzuweisen der richtige Weg ist. Immer nur das Negative anzusprechen und nicht das Positive zu beleuchten." Kay Hoppe von der Initiative "Pflege am Boden" sieht das anders, durch das Aufmerksam machen auf Missstände werden Anstöße gegeben. Staatssekretärin Sabine Dittmar betont: "Man muss auf Defizite und auch auf Positives beziehungsweise auf das Tolle in dem Beruf hinweisen." Das sei aber immer ein Spagat, bei dem es gilt, das Gleichgewicht zu wahren. Werner Schäfer, dritter Bürgermeister der Stadt Straubing, sieht das Problem nicht bei der Darstellung des Pflegeberufs in der Öffentlichkeit. Vielmehr liege es daran, dass die Gesellschaft ein Problem mit dem Begriff Wertschätzung hat. "Politiker, Soldaten oder Bauern. Wer wird überhaupt noch wertgeschätzt?", betont er.

Gibt es bald keine bezahlbaren Seniorenheimplätze mehr? Markus Eckhardt, BRK-Kreisgeschäftsführer, kritisiert die fehlende Refinanzierung bei Pflegeplätzen. "Wie kann sichergestellt werden, dass diese für die Privatperson nicht zum Luxusprodukt werden?" Gleichzeitig macht er sich Sorgen, dass aufgrund von steigenden Kosten die Nachfrage nach Pflegeplätzen wegbricht. Ein Heimplatz kostet mittlerweile schon rund 3000 Euro im Monat. Im Gegensatz dazu hat ÖDP-Stadtrat Dengler "Angst, keine Plätze mehr anbieten zu können" aufgrund fehlender Investitionen in neue Seniorenheime.

Wird die private Sorgearbeit in der Rente angerechnet? Es seien meist Frauen, die pflegerische Tätigkeiten zu Hause übernehmen. In ihrer Rente würde diese Arbeit aber nicht anerkannt werden, sagt Kay Hoppe von der Initiative "Pflege am Boden". Sabine Dittmar merkt an, dass bei zehn Wochenstunden an Pflege zwei Rentenpunkte angerechnet werden. Gleichzeitig erklärt sie, dass ihr "Haus" dafür nicht zuständig sei, sondern das Familienministerium.

Wie geht es den Krankenhäusern im Landkreis mit der Krankenhausreform? Großes Sorgenkind ist die Refinanzierung der Krankenhausreform. Da sind sich sowohl Hubert Langmantel, Pflegedirektor vom Klinikum Straubing, als auch Christian Schwarz, stellvertretender Vorstand der Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf, einig. "Ohne Zuschüsse wird es ein Kampf ums Überleben", sagt Langmantel. Ebenso seien Qualitätsanforderungen zu hoch angesetzt, sagt Schwarz. "X-fach mehr Ärzte, mehr Pflegeräume, mehr Fachkräfte und mehr Geld." Das sei nicht leistbar. Die Reform sei zwar gut gemeint, aber man habe ein Umsetzungsproblem beziehungsweise ein Finanzierungsproblem. "Qualität ja, aber nicht in diesem Maße wie gefordert." Dittmar widerspricht, dass die Anforderungen zu hoch seien. Durch die Zentralisierung steige die Qualität im Ganzen. Eine Reform bedeute auch, dass Strukturen anders sind als davor. "Es erschreckt mich, dass 50 Prozent der Tumorpatienten nicht dort hinkommen, wo sie hingehören", fügt sie an. Es sei "fünf nach zwölf, unser Gesundheitssystem an neue Strukturen anzupassen.".

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